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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

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BGB § 12

Zum Unterlassungsbegehren gegen einen DISPUTE-Eintrag bei der DeNIC e.G. .

OLG Nürnberg, Urteil vom 5. Juni 2001 - Az.: 3 U 817/01 - LG Regensburg - 'DISPUTE auf Domain - haug.de' (rechtskräftig durch Nichtannahmebeschluss des I. Zivilsenats des BGH)

3 U 817/01
1 O 926/00 LG Regensburg
Verkündet am 5. Juni 2001



Justizangestellte (..) Geschäftsstelle

Oberlandesgericht Nürnberg

Im Namen des Volkes

Endurteil

In dem Rechtsstreit

  • *

    Klägerin und Berufungsklägerin

g e g e n
  • *

    Beklagter und Berufungsbeklagter


hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den. Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S* und die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. H* und M* aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2001
für R E C H T erkannt
  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 26.1.2001 (Az. 1 0 926/00) in den Ziffern 1., 3. und 4. abgeändert:
  2. Der Beklagte wird verurteilt, die Löschung des zu seinen Gunsten bei der DENIC (...) e.G. gestellten Dispute-Eintrags für die Internet-Domain zu veranlassen.
  3. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegenüber der Klägerin kein vorrangiges Namensrecht an dem Domain-Namen zusteht.
  4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte kann die Vollstrekkung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 51.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  6. Die Beschwer des Beklagten beträgt 135.000,00 DM.
  7. Beschluß:
    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 135.000,00 DM festgesetzt.
    Antrag 1: 35.000,00 DM,
    Antrag 2: 100.000,00 DM

T a t b e s t a n d

Die Klägerin führt bundesweit verschiedene Einzelhandelsbetriebe im Bereich des Fachbucheinzelhandels und bietet unter www.*.de auch im Internet Bücher und andere Waren an.

Im Jahre 1997 expandierte die Klägerin, indem sie u.a. die Buchhandlung und Verlag für Medizin und Naturheilverfahren erwarb. Diese Firma wurde durch Vertrag vom 13.3.1997 mit der Klägerin verschmolzen. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 13.11.1997. Zudem wurden für die Klägerin folgende Marken beim Deutschen Patentamt eingetragen:

- "[*] & [*] Buchhandlung und Verlag für Medizin und Naturheilverfahren" am 11.5.1998
- "[*] Buchhandlung und Verlag für Medizin und Naturheilverfahren am 6.7.1993.

Für die Klägerin wurde nunmehr auch eine Internet-Domain unter dem Domain-Namen www.*.de eingerichtet und bei der DeNIC e.G. (....) registriert. Im wesentlichen wurde diese Adresse allerdings nur als Link auf die homepage der Klägerin benutzt.

Im Jahre 1999 veräußerte die Klägerin das Recht an dem DomainNamen www.*.de gegen Zahlung eines Geldbetrages an die Fa. * GmbH & Co. KG in *. Eine Übertragung und Nutzungsmöglichkeit dieses Domainrechts war nicht möglich, da für die Käuferin keine Eintragung bei erreicht werden konnte. Der Beklagte hatte zwischenzeitlich die Eintragung eines sog. Dispute-Eintrages bei DeNIC veranlaßt, der nach den Statuten dieser Genossenschaft grundsätzlich für die Dauer eines Jahres bzw. bis zur Vorlage einer entsprechendengerichtlichen Entscheidung oder bis zur Rücknahme des Dispute-Eintrages die Eintragung anderer Berechtigter am Domain-Namen hindert.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Dispute-Eintrag nicht berechtigt sei. Durch die Umwandlung stehe ihr ein originäres Namensrecht i. S. des § 12 BGB am Namen zu. Entsprechend dem Grundsatz "First come first serve" dürfe sie diesen Namen auch im Internet benutzen und könne das Recht an dem Domain-Namen auch veräußern. Sie habe zunächst eine wirtschaftliche Nutzung dieses Namens betrieben. Insbesondere liege kein sog. "Namen-Grabbing" zur Erzielung von Geld vor. Soweit später auf eine eigene Nutzung verzichtet worden sei, erscheine allenfalls eine analoge Anwendung der Rechtsgedanken der §§ 25, 26, 42 MarkenG denkbar, demzufolge die fehlende Nutzung eines Namens über mindestens fünf Jahre hinweg die daran bestehenden Ausschlussrechte beeinträchtige. Eine fehlende Nutzung des Domain-Namens über mehr als fünf Jahre habe jedoch nicht vorgelegen.

Ferner könne der Beklagte die Übertragung der Domain vom Inhaber nur verlangen, wenn diesem kein Recht an der Domain zustehe oder er, der Beklagte, ein überwiegendes Interesse daran habe. Eine solches überwiegendes Interesse des Beklagten aufgrund des Nachnamens sei nicht zu erkennen. Es sei auch keine überragende Verkehrsgeltung gegeben.

Die Klägerin hat beantragt,

Der Beklagte hat den Antrag gestellt,

Er hat erwidert, das Landgericht Regensburg sei wegen der markenrechtlichen Sonderzuständigkeit in dieser Angelegenheit zur Entscheidung nicht zuständig.

Ferner sei nicht er, sondern ** die richtige Beklagte. des weiteren habe die Klägerin keinen Anspruch auf Löschung des Wait-Eintrages (jetzt : Dispute-Eintrages), da sie nach eigenen Angaben die streitgegenständliche Domain nicht mehr nutze. Die frühere Fa. * existiere nicht mehr und sei auch nicht mehr werbend tätig. Ein besonderer Marken- oder Kennzeichenschutz für die frühere Fa. * bestehe nicht. Die Klägerin habe zwischenzeitlich den Domain-Namen an eine andere Firma verkauft.

Der Beklagte hat gegen die Klägerin Widerklage erhoben mit dem Antrag,

Die Klägerin und Widerbeklagte hat ihrerseits beantragt,

Das Landgericht Regensburg hat ohne Beweisaufnahme durch Endurteil vom 26.1.2001 sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen.

Auf die schriftlichen Gründe dieser gerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 29.1.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.2.2001 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 27.3.2001, eingegangen am gleichen Tag begründet.

Sie trägt in der Berufungsinstanz vor,

der Beklagte greife durch den von ihm veranlassten Dispute-Eintrag als Handlungsstörer in eine bestehende Rechtsposition der Klägerin ein und hindere diese in der rechtlichen Verfügung hierüber. Er nutze sein Namensrecht nicht in rechtmäßiger Weise. Bei der Vergabe von Internetdomainadressen gelte das Prinzip der zeitlichen Priorität, welches nur durch rechtsmissbräuchliche Reservierung eingeschränkt würde, wie z.B. beim Domaingrabbing.

Sie beantragt daher,

Der Beklagte beantragt,

Er meint, für die beantragte Feststellung habe die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Beklagte habe sich bis wenigstens 5.11.1999 in Verhandlungen mit der Klägerseite hinsichtlich der Freigabe der Domain "*.de" befunden. Der Beklagte habe der Klägerseite spätestens am 22.9 1999 schriftlich mitgeteilt, dass ein sog. Wait-Eintrag gestellt worden sei. Trotz der Verhandlungen mit dem Beklagten und trotz des Wissens um den gestellten Wait-Eintrag habe die Klägerin mit einer anderen Firma einen Vertrag zur Übertragung der Domain geschlossen. Mit der jetzigen Klage versuche sie, diesen Mangel zu heilen. Im übrigen verweise er au: seinen Vortrag in erster Instanz.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

  1. Bedenken gegen die Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg bestehen im Hinblick auf § 140 MarkenG nicht, da vorliegend der Beklagte nur in seiner Eigenschaft als Privatmann bei der Geltendmachung privater Namensrechte belangt werden soll. Es liegt keine markenrechtliche Verwendung vor. Für diesen außergeschäftlichen Bereich kommen von vorneherein nur Vorschriften des BGB, etwa § 12 BGB als Anspruchsgrundlagen für das klägerische Begehren in Betracht.

  2. Die Klägerin ist aufgrund des ihr zustehenden Namensrechts gemäß § 12 S. 1, 2. Alt BGB berechtigt, vom Beklagten die Mitwirkung an der Löschung des zu dessen Gunsten bei der DeNIC e.G. bestehenden Dispute-Eintrages hinsichtlich des Domain-Namens www.*.de zu fordern.

    Nach dieser Vorschrift kann der Namensrechtsinhaber von einem anderen, der sein Recht zum Gebrauch des Namens dadurch verletzt, dass dieser unbefugt den gleichen Namen gebraucht, Beseitigung verlangen.

    1. Es ist heute nicht mehr ernsthaft bestritten, dass auch Domain-Namen in den Schutzbereich des § 12 BGB fallen. Denn durch diese Vorschrift werden nicht nur der bürgerliche Name, sondern auch alle anderen namensartigen Kennzeichnungen geschützt. Dazu zählt auch ein Domain-Name bzw. eine Domain-Adresse. Sie stellen kein bloßes Registrierungszeichen dar - vergleichbar einer reinen Kennung ohne Namensfunktion -. Die Domain-Namen haben über ihre Registrierungsfunktion hinaus auch eine Kennzeichnungsfunktion, indem sie die unter der Domain-Adresse registrierte Person oder Einrichtung von anderen Internet-Teilnehmern abgrenzen sollen (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1998, 909, 910)

    2. Die Klägerin hat das originäre Namensrecht der Fa. * & * durch die wirksame Verschmelzung (§§ 174, 176 UmwG) erworben. Gemäß § 18 UmwG ist sie berechtigt, diesen Namen mit oder ohne Zusatz zu führen.

    3. Der Beklagte hat durch die Veranlassung eines Dispute-Eintrages bei DeNIC e.G. hinsichtlich des Domain-Namens www.*.de unbefugt in das der Klägerin zustehende Namensrecht eingegriffen. Er hat die Interessen der Klägerin dadurch verletzt, dass durch die von DeNIC e.G. verweigerte Registrierung eines neuen Berechtigten eine Veräusserung und sinnvolle Verwertbarkeit des Domain-Namensrecht der Klägerin unmöglich gemacht wird.

      1. Im vorliegenden Fall ist die Handlungsweise des Beklagten bereits deshalb als unbefugt im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen, weil ihm ein vorrangiges Benutzungsrecht des Namens * nicht zusteht . Zwar ist es Trägern von privaten Familiennamen grundsätzlich nicht verwehrt, deren Namen auch im geschäftlichen Verkehr zu benutzen. Führt dies - wie im vorliegenden Fall - zu namensrechtlichen Kollisionen, wird in den Praxisfällen regelmäßig der Prioritätsjüngere gehalten sein, alles Erforderliche und Zumutbare zu tun, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen oder auf ein hinnehmbares Maß zu vermindern ( vgl. BGH GRUR 1993, 579, 580 - Römer GmbH ) . Dabei wird nicht verkannt, dass der Gesichtspunkt der Priorität bei der Wahl des Domain-Namens dem Beklagten gegenüber der Klägerin nicht schlechthin das bessere Namensrecht verleiht. Denn der Grundsatz der Priorität entscheidet nur bei der grundsätzlichen Namenswahl. Die Priorität im Erwerb des Namensrechtes als solchem gibt den besseren Rang. Wann und wo und in welchem Medium später mit dem erworbenen Namen aufgetreten wird, ist für die Rangstellung des Namensrechts bedeutungslos (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1998, 909, 910)

        Nach dem Gebot der Lauterkeit sind auch Träger von Familiennamen gehalten, die Verwechslungsgefahr so weitgehend wie möglich durch eine unterschiedliche Gestaltung des registrierten Internet-Domain-Namens auszuräumen und damit einer sich aus der Gleichnamigkeit ergebenden Verwechslungsgefahr dadurch entgegenzuwirken, dass sie sich durch unterscheidungskräftige Zusätze voneinander abgrenzen (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 619, 620)

        Wie auch sonst im Falle der Gleichnamigkeit bietet der Grundsatz der Priorität allein keine interessensgerechte Lösung. Die Probleme kollidierender Domain-Namen lassen sich nur unter Rückgriff auf das Recht der Gleichnamigen interessensgerecht lösen. Danach muss auch bei der Wahl der Domain-Adresse ein Interessensausgleich gefunden werden, der beiden Seiten ein kennzeichnungskräftiges Auftreten im Internet ermöglicht, also die Wahl einer griffigen Domain-Adresse gestattet (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

        Was freilich im Einzelfall erforderlich und zumutbar ist, um einer bestehenden Verwechslungsgefahr bei Gleichnamigen zu begegnen, muß jeweils aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung bestimmt werden (vgl. BGH GRUR 1990, 364, 366 - Baelz)

      2. Die Klägerin hatte durch die Verschmelzung der Fa.* & * Buchhandlung und Verlag für Medizin und Naturheilverfahren, einen nicht unerheblichen faktischen wirtschaftlichen Wert an dem rechtmäßig erlangten Domain-Namen www.*.de erworben, der zerstört würde, wenn ihn die Klägerin nicht auf einen anderen Namensträger, übertragen könnte. Zugunsten der Klägerin stellt allerdings die zeitliche Priorität der Anmeldung bei DeNIC e.G. zwar - wie aufgezeigt - nicht eine Priorität des Rechts, immerhin aber ein beachtenswertes Abwägungskriterium dar. Die Klägerin kann sich auch darauf berufen, dass dem Domain-Namen die Bedeutung eines absolut geschützten Rechtes zukommt, das sie gegenüber jedermann geltend machen kann.

        Demgegenüber fällt beim Beklagten ins Gewicht, dass auch er das absolut geschützte Recht seines Familiennamens, der nicht seiner freien Wahl unterliegt, in Anspruch nehmen kann. Andererseits ist zu fragen, wie groß sein Interesse ist, gerade die kurze Form als Domain-Namen www.*.de zu verwenden. Da der Name www.*.de für die Klägerin bereits einen wirtschaftlichen Wert verkörpert, vertritt der Senat bei zusammenfassender Abwägung die Ansicht, dass es dem später hinzukommenden Beklagten zuzumuten ist, seine Interessen etwa durch Hinzufügung eines unterscheidungskräftigen Zusatzes, wie z.B. des Vornamens - angemessen zu wahren. Dies gilt umso mehr, als es bei Internet-Auftritten von Privatpersonen weitgehend üblich ist, Vor- und Zunamen zu benutzen.

  3. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist ebenfalls zulässig und begründet.

    1. Der Klägerin kommt das in § 256 Abs. 1 ZPO geforderte Feststellungsinteresse zu. Es liegt die Möglichkeit nicht fern, dass die Klägerin künftigen Schadensersatzansprüchen ihrer Käuferin im Hinblick auf die durch den Dispute-Eintrag der Beklagten verzögerte Einräumung der Nutzungsmöglichkeiten des Domainnamens ausgesetzt sein kann. Der Beklagte hat bislang den beanspruchten Vorrang nicht rechtsverbindlich anerkannt.

    2. Die von der Klägerin beantragte Feststellung ist auszusprechen, da - wie vorliegend aufgezeigt - dem Beklagten kein der Klägerin gegenüber vorrangiges Namensrecht zusteht.

  4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Beschwer der Beklagten wurde in Anwendung von § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO festgesetzt.

    Der Streitwert richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin am Klagebegehren und nach dem Kosteninteresse.

Unterschriften