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mitgeteilt von RA Boris Hoeller ( HOELLER Rechtsanwälte )

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Zur Prüfung der Verwechslungsgefahr, wenn aus einer eingetragenen Formmarke, die in der äußeren Erscheinung der Ware selbst besteht (hier: Stablampe), gegen den Vertrieb der entsprechenden Ware eines Konkurrenten vorgegangen wird.

BGH, Urteil vom 26. Juni 1997, Az. :I ZR 14/95 - 'RBB'

I ZR 136/97 Verkündet am 3. November 1999

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Bundesgerichtshof

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

  • *

    Klägerin


    Bevollmächtigter:
g e g e n
  • *

    Beklagte

wegen:
****

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. * und die Richter Prof. Dr. *, Dr. *, * und *
für R E C H T erkannt
  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. April 1997 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  3. Von Rechts wegen

T a t b e s t a n d

Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz in Kalifornien, stellt seit 1979 von ihrem Präsidenten A. M. entwickelte Taschenlampen her und vertreibt diese unter der Bezeichnung MAG-LITE. Seit 1984 hat die Klägerin eine in der Form weiterentwickelte kleinere Taschenlampe, die MINI MAG-LITE, in ihrem Programm. Die Beklagte, ein großes Handelsunternehmen, befaßt sich u.a. ebenfalls mit dem Vertrieb von Taschenlampen.

Mit ihrer im Jahre 1994 erhobenen Klage hat die Klägerin gegen die Beklagte wegen der von dieser vertriebenen Taschenlampen "S. MAXI" und "S. MINI" Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung geltend gemacht; sie hat diese auf §§ 1 und 3 UWG sowie § 25 WZG gestützt.

Die Beklagte ist dem aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche zusätzlich auf Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes sowie auf § 4 Nr. 1, § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG im Hinblick auf ihre für Taschenlampen eingetragene dreidimensionale Marke Nr. 394 10 754, die die MINI MAG-LITE zeigt, gestützt.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte durch Teilurteil unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Taschenlampen gemäß dem Design der dem Tenor angehefteten Anlagen A und B anzubieten und/oder zu vertreiben.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

  1. Das Berufungsgericht hat eine Verletzung der für die Klägerin eingetragenen dreidimensionalen Marke bejaht und dazu ausgeführt:

    Die Eintragung der MINI MAG-LITE Taschenlampe als dreidimensionale Marke binde das Verletzungsgericht, dieses habe vom Schutz der Marke auszugehen. Die Eintragung sei im übrigen auch zu Recht erfolgt.

    Zwischen der markenrechtlich geschützten MINI MAG-LITE und den von der Beklagten vertriebenen Taschenlampen "S. MAXI" und "S. MINI" bestehe Verwechslungsgefahr. Das zeige ein Vergleich des geschützten Modells mit den von der Beklagten angebotenen und vertriebenen Lampen. Die MINI MAG-LITE weise folgende Gestaltungsmerkmale auf: schlanker zylindrischer Griff; der Griff habe im unteren Viertel eine glatte, anschließend eine gerändelte und im letzten Viertel wieder eine glatte Fläche; der Griff gehe über in eine obere schlanke Kappe mit bogenförmigem Profil; die Kappe werde durch einen Ring abgeschlossen; die bogenförmige Kappe weise ein geriffeltes Band auf; das untere Ende des Griffes zeige eine bogenförmige Einbuchtung; in der Mitte der bogenförmigen Einbuchtung sei der Zylinderring so weit erhalten, daß dadurch eine ™se gebildet werde.

    Demgegenüber wiesen die von der Beklagten vertriebenen Taschenlampen folgende Gestaltungsmerkmale auf: schlanker zylindrischer Griff; der Griff gehe über in eine obere schlanke Kappe mit bogenförmigem Profil; die Kappe werde durch einen Ring abgeschlossen; die Kappe weise zwei geriffelte Bänder auf; der Griff weise im unteren Viertel eine glatte, anschließend eine gerändelte und im letzten Viertel wieder eine glatte Fläche auf; das untere Ende des Griffes weise einen verjüngten Zylinderring mit einer ™se auf. Das bedeute, daß das Design der MINI MAG-LITE in nahezu identischer Weise übernommen worden sei. Die Abweichungen reichten nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Das gelte hinsichtlich der Anbringung von zwei geriffelten Bändern an der Kappe und die unterschiedliche Gestaltung des unteren Endes des Griffes. Maßgeblich für die Frage der Verwechslungsgefahr sei der in der Erinnerung bleibende Gesamteindruck. Der Verbraucher werde sich vornehmlich an die äußere Form, möglicherweise auch an ein geriffeltes Band erinnern, aber nicht mehr daran, ob es nun ein Band oder zwei Bänder seien. Die unterschiedlichen Abmessungen zwischen der MINI MAG-LITE einerseits und den streitgegenständlichen Taschenlampen seien unerheblich.

  2. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

    1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die dreidimensionale Marke Nr. 394 10 754 der Klägerin in Kraft steht und deshalb von ihrer Schutzfähigkeit im Markenverletzungsverfahren auszugehen ist. Der Einwand, eine Marke sei zu Unrecht eingetragen worden (hier: § 50 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG) kann gemäß § 54 Abs. 1 MarkenG allein durch einen Löschungsantrag beim Patentamt geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1997 - I ZR 95/95, GRUR 1998, 412, 413 f. = WRP 1998, 373 - Analgin). Hierzu ist in den Instanzen nicht vorgetragen, insbesondere auch ein an sich möglicher Aussetzungsantrag (§ 148 ZPO) nicht gestellt worden.

      Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, daß, wenn auch nicht die Frage des Vorliegens von Eintragungshindernissen im Sinne von § 8 Abs. 2 MarkenG, so doch die Frage der Markenfähigkeit eines Zeichens im Sinne von § 3 MarkenG Gegenstand der Prüfung im Markenverletzungsstreit sein könne. Dieser Meinung kann nicht beigetreten werden, denn die Frage der abstrakten Markenfähigkeit ist als Grundvoraussetzung der Eintragung eines Zeichens als Marke Prüfungsgegenstand des Eintragungsverfahrens (BGHZ 140, 193, 196 - Farbmarke gelb/schwarz) und deshalb angesichts der strengen Aufgabenteilung zwischen den Erteilungsinstanzen und den Verletzungsgerichten nur den ersteren zur Prüfung zugewiesen. Auch bezüglich der Bejahung der abstrakten Markenfähigkeit ist demnach das Verletzungsgericht an die erfolgte Eintragung gebunden.

    2. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte die Verurteilung nicht aussprechen dürfen, weil eine Koexistenz von Rechten im Sinne von § 6 Abs. 4 MarkenG bestehe, greift nicht durch.

      Nach dieser Vorschrift begründen Rechte, die zeitlich gleichrangig sind, gegeneinander keine Ansprüche. Von einer derartigen Koexistenzlage kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Denn allein der Klägerin steht mit der eingetragenen Klagemarke ein Recht im Sinne von § 6 Abs. 4 MarkenG mit dem Zeitrang vom 1. Januar 1995 zu. Dagegen hat die W. Inc. bezüglich der angegriffenen Taschenlampen (bisher) kein Markenrecht, auf das sich die Beklagte, die von dieser Firma mit den angegriffenen Taschenlampen beliefert wird, stützen könnte; sie hat lediglich mehrere Markenanmeldungen getätigt. In § 6 Abs. 4 MarkenG werden für eine Koexistenzlage jedoch bestehende Rechte vorausgesetzt, d.h., soweit es - wie im Streitfall - um Marken nach § 4 Nr. 1 MarkenG geht, eingetragene Marken. Denn Markenschutz entsteht nach dieser Vorschrift für ein als Marke angemeldetes Zeichen (erst) durch die Eintragung in das vom Patentamt geführte Register. Auf ein derartiges zeitlich mit der Marke gleichrangiges Recht kann sich die Revision indessen nicht beziehen, denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten haben die erwähnten Anmeldungen durch die W. Inc. bisher nicht zur Eintragung einer Marke geführt. Es war für das Berufungsgericht auch - worauf die Revisionserwiderung zu Recht verweist - nicht hinreichend erkennbar, daß die Markenanmeldungen, die zu einer Gleichrangigkeit hätten führen können (§§ 156, 6 Abs. 2 MarkenG), weiterverfolgt werden. Für eine eventuelle Aussetzung (entspr. § 148 ZPO) bestand daher bislang keine Veranlassung.

      Anhaltspunkte dafür, daß der W. Inc. im Zeitpunkt des Zeitrangs der Klagemarke (1. Januar 1995) im Inland ein durch Benutzung erworbenes Markenrecht (§ 4 Nr. 2 MarkenG) zugestanden haben könnte, ergeben sich aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht.

    3. Mit Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, mit den angegriffenen Taschenlampen verletze die Beklagte die Klagemarke, weil eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwischen dieser Marke und den von der Beklagten vertriebenen Taschenlampen bestehe.

      Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu erfolgen hat, ist - auch bei einer dreidimensionalen Klagemarke wie im Streitfall - eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu berücksichtigen, so daß etwa ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH, Beschl. v. 6.5.1999 - I ZB 54/96, WRP 1999, 936, 937 = MarkenR 1999, 297 - HONKA, m.w.N.). Diese umfassende Beurteilung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht vorgenommen.

      Bei der im Streitfall zugrunde zu legenden Warenidentität hätte es der Prüfung der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klagemarke bedurft, um eine gesicherte Grundlage für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu haben. Mit der bloßen Aufzählung von Gestaltungsmerkmalen der MINI MAG-LITE und der angegriffenen Taschenlampen der Beklagten sowie der Schlußfolgerung, daß das Design der MINI MAG-LITE in den angegriffenen Taschenlampen nahezu identisch übernommen sei, ist diese Beurteilung nicht erfolgt.

      Das Berufungsgericht hat es versäumt, den Gesamteindruck der Klagemarke und deren Kennzeichnungskraft festzustellen. Hierbei wäre es Aufgabe des Berufungsgerichts gewesen zu prüfen, welche der Merkmale der Klagemarke nach der Auffassung des angesprochenen Verkehrs an der herkunftskennzeichnenden Wirkung der Marke teilhaben und welche Merkmale für die Bestimmung der Schutzwirkung unbeachtet bleiben müssen, weil sie nach § 3 Abs. 2 MarkenG dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind, da sie ausschließlich die Form bestimmen, die durch die Art der Waren selbst bedingt ist, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Da alle diejenigen Merkmale der Klagemarke, die unter diese Begriffe fallen, nicht markenfähig sind, also den Schutz der Klagemarke nicht begründen konnten, hätte das Berufungsgericht diese Merkmale nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres, dem Schutzumfang der Klagemarke zurechnen dürfen (vgl. Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 14 Rdn. 46; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rdn. 73) . Ebenso wie bei Wort-, Wort-/Bild- oder Bildzeichen nicht schutzfähige (etwa beschreibende) Bestandteile am Markenschutz nicht teilhaben und deshalb für sich eine Verwechslungsgefahr nicht zu begründen vermögen, können bei dreidimensionalen Marken, die in der äußeren Erscheinung der Ware selbst bestehen, Merkmale, die vom Gesetz für absolut nicht schützbar, also für nicht markenfähig erklärt sind, grundsätzlich am Markenschutz nicht teilhaben, also für sich eine Verwechslungsgefahr nicht begründen. Die Beurteilung dieser Fragen wird das Berufungsgericht im erneut eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um sich damit eine Grundlage für die Beantwortung der Frage nach der Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft und - unter Heranziehung aller maßgeblichen Umstände - der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu schaffen.

  3. Danach war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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