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Rechtsprechung

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mitgeteilt von RA Frank Feser (HOELLER Rechtsanwälte)

Leitsätze von RA Feser

Nimmt ein Arbeitnehmer während seiner Dienstzeit über einen geschäftlichen Anschluss Telefonsexleistungen in Anspruch und werden daraufhin wiederholt Rechnungen und Mahnungen an den Arbeitgeber übersandt, obwohl dieser sich hiergegen ausdrücklich verwahrt hat, so besteht aus dem Gesichtspunkt des sittenwidrigen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach §§ 823 Abs. 1, 826 BGB ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen die weitere Zusendung von Rechnungen und Mahnungen.

Telefonsexverträge kommen allenfalls durch einzelne Anrufe zustande. Es ist im allgemeinen nicht davon auszugehen, dass Arbeitnehmer befugt sind, für ihren Arbeitgeber solche Verträge zu schließen.

Der Grundsatz, dass der Inhaber eines Telefonanschlusses für sämtliche Gespräche, die von seinem Anschluss ausgehen, haftet, gilt nicht uneingeschränkt, insbesondere dann nicht, wenn die Gespräche Telefonsex zum Gegenstand haben.

3 U 148/98

312 O 167/98

Verkündet am: 17. Dezember 1998

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit


  • Klägerin,
    Berufungsbeklagte,

g e g e n

  • 1)

    2)

    Beklagte,
    Berufungsklägerin,

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter * * * nach der am 28. November 1998 geschlossenen mündlichen Verhandlung
für R E C H T erkannt:
  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 5. Mai 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß im landgerichtlichen Verbot hinter "telefonische Sonderdienste" eingefügt wird "(TeIefonsex)".
  2. Die Beklagten tragen wie Gesamtschuldner auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  4. Es beschwert die Beklagten um 20.000,00 DM.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 DM festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin handelt mit Weinen, Sekt und Champagner.

Die Beklagte zu 1) betreibt "telefonische Sonderdienste", bei denen es unter der Bezeichnung "Partyline" um Telefonsex geht.

Die Klägerin erhielt von der Beklagten zu 1) zwei Mahnungen vom 18. November 1997 (Anlage K 1) über 120,00 DM und 3750 DM. Auf ihre Bitte um Rechnungskopien und Einzelnachweise (Anlage K 2) übersandte die Beklagte zu 1) ihr zwei Rechnungen vom 10. September 1997 (Anlagen K 3 und 4) über 110,00 DM und 27,50 DM, jeweils für Gespräche mit der "Partyline". Die Rechnungen und Mahnungen enthalten als Kunden-Nummer die Durchwahlnummer einer Nebenstelle der Telefonanlage der Klägerin. Auf der Rückseite der Rechnungen heißt es u.a.:

SICHERHEIT IM SYSTEM!

Das TBS-System kann nicht mißbraucht werden. Der Anruf wurde von dem Sonderdienst entgegengenommen, den Sie angerufen haben.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

1. Call-back: Sie haben Ihre Nummer eingegeben, wonach der Anschluß getrennt wurde. TBS-Kommunikation hat die eingegebene Nummer, in diesem Fall Ihre Nummer, zurückgerufen. Hiernach ist von Ihrem Telefon die 1 eingegeben worden, um das Gespräch zu akzeptieren. Deshalb kann der Anruf wirklich nur ausschließlich von Ihrem Apparat geführt worden sein.

2. Überprüfung der Nummer: Wenn Sie als Kunde bereits bei den Sonderdiensten registriert sind, oder einen digitalen Anschluß besitzen, wird Ihre Nummer automatisch registriert und Sie bekommen keinen Call Back, sondern werden direkt mit unseren Serviceleistungen verbunden."

Die Klägerin bekam von der Beklagten zu 1) zwei erneute Mahnungen vom 5. Februar 1998 (Anlage K 7) über 130,00 DM und 47,50 DM. Sie mahnte die Beklagte zu 1) daraufhin mit Schreiben vom 20. Februar 1998 (Anlage K 8) ab und erwirkte am 2. März 1998 gegen die Beklagten eine einstweilige Verfügung (Az. 312 097/98).

Am 19. März 1996 erhielt die Klägerin eine weitere Rechnung der Beklagten zu 1), die ihr 33,75 DM für ein Gespräch am 6. März 1998 mit der "Partyline" berechnete (Anlage ASt 9 des Ordnungsmittel-Verfahrens 3 W 69/96). Als Kunden-Nummer ist die Nummer einer anderen Nebenstelle der Klägerin genannt.

Die Klägerin sieht in der Übersendung von Rechnungen und/oder Mahnungen für die telefonischen Sonderdienste der Beklagten zu 1), denen kein Vertragsverhavtnis zugrunde liegt, eine wettbewerbs-, rechts- und sittenwidrige Belästigung. Sie hat dazu vorgetragen:

Keiner ihrer in Frage kommenden Mitarbeiter habe die berechneten Telefongespräche geführt. Sollte das aber geschehen sein, so sei auch dann kein Vertrag mit der Klägerin zustande gekommen. Außerdem wäre ein solcher Vertrag über Telefonsex sittenwidrig und daher nichtig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,

der Klägerin Rechnungen und/oder Mahnungen für telefonische Sonderdienste zu übersenden, denen kein Vertragsverhältnis zugrunde liegt.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen:

Andere telefonischen Sonderdienste - Talemarketing, Direktmarketing' Produktinformation und Teleshopping - seien bei ihr in der Planung und Entwicklung.

Die Beklagte zu 1) habe die Rechnung vom 10. September 1997 dem Mitarbeiter * unter der Anschrift der Klägerin zugesandt (Anlage 8 1), weil dieser auf telefonische Nachfrage darum gebeten und dazu erklärt habe er wolle die Rechnung privat bezahlen (Beweis: Zeugnis Frau *). Bei den Mahnungen sei dann der Zusatz z. Hd. Hr. *" nicht mehr ausgedruckt worden. Auf die Abmahnung der Klägerin hin habe sie die Rufnummer gesperrt.

Der Anruf vom 6. März 1998 sei auf Veranlassung der Klägerin erfolgt, um einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung zu konstruieren.

Für die Kosten der telefonischen Sonderleistungen hafte die Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten zu 1), ebenso wie es bei telefonischen Sonderdiensten der Deutschen T* zutreffe. Außerdem seien die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung nicht gegeben.

Die Klägerin könne auf keinen Fall den Beklagten zu 2) in Anspruch nehmen.

Durch Urteil vom 5. Mai 1998 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet haben. Sie vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz. berufen sich auf das Zeugnis des Mitarbeiters * und tragen ergänzend vor:

Ein Verstoß gegen § 826 BGB sei nicht gegeben, Es fehle bereits an einem Schaden der Klägerin. Außerdem sei das Versenden der Rechnungen und Mahnungen nicht sittenwidrig.

Sie beantragen,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und stellt klar, daß sich ihr Klagantrag ausschließlich gegen die telefonischen Sonderdienste "Telefonsex" richteten.

Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung durch Urteil vom 5. Mai 1996 bestätigt. Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt, über die der Senat zugleich mit der Berufung im vorliegenden Hauptsacheverfahren entscheidet.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Klagantrag ist, soweit es um den Passus "denen kein Vertragsverhältnis zugrunde liegt", dahin zu verstehen, daß die Übersendung von Rechnungen und/oder Mahnungen gemeint ist, denen kein Vertragsverhältnis gerade zur Klägerin zugrunde liegt, während es ohne Bedeutung ist, ob ein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten zu 1) und dem tatsächlichen Anrufer zustande kommt oder nicht.

Wie die Klägerin inzwischen ausdrücklich erklärt hat, erfaßt ihr Klagantrag ausschließlich die telefonischen Sonderdienste "Telefonsex", dagegen nicht auch andere, bisher nur geplante telefonische Sonderdienste der Beklagten zu 1). Diese Erklärung enthält lediglich eine Klarstellung, dagegen keine teilweise Klagrücknahme mit entsprechender Kostenfolge zu Lasten der Klägerin. Die Klarstellung ist in das gerichtliche Verbot mit aufzunehmen.

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 826 BGB zu.

Grundsätzlich kann es allerdings niemandem verwehrt werden, vermeintliche Ansprüche auf dem dafür vorgesehenen Wege überprüfen zu lassen. Dazu gehört - als notwendige Vorstufe vor einer gerichtlichen Geltendmachung - die Versendung von Rechnungen und Abmahnungen. Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die zur Annahme eines rechtswidrigen Eingnffs in der Gewerbebetrieb der Klägerin (§ 823 Abs 1 BGB) und zu einer sittenwidrigen Belästigung der Klägerin führen (§ 826 BGB).

1.) Den Rechnungen und Mahnungen liegt kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zugrunde.

Verträge sind allenfalls zwischen dem tatsächlichen Anrufer und der Beklagten zu 1) zustande gekommen. Der Anrufer hat nicht mit Vertretungsmacht für die Klägerin gehandelt. Das ist angesichts des Inhalts der Gespräche von vornherein ausgeschlossen. Die Annahme einer Anscheinsvollmacht scheidet ebenfalls aus.

Die Beklagten verweisen zu Unrecht auf die Vertragsgestaltung zwischen der Deutschen T* und den Inhabern der Telefonanschlüsse. Insoweit bestehen Verträge, die eine Regelung dahin enthalten, daß die Inhaber alle Gespräche bezahlen müssen, die von ihrem Anschluß aus getätigt werden. Hier jedoch kommt erst durch jeden einzelnen Anruf ein Vertrag zustande.

2.) Die Rechts- und die Sittenwidrigkeit werden durch die folgenden besonderen Umstände begründet:

Die Rechnungen und Mahnungen sind an ein gewerbliches Unternehmen gerichtet, bei dem auch aus der Sicht der Beklagten zu 1) von vornherein anzunehmen ist, dass es nicht mit Gesprächen ihrer Mitarbeiter über Telefonsex einverstanden ist. Die Beklagte zu 1) weiß daher oder kann ohne weiteres erkennen, daß ihr keine Ansprüche gegen die Klägerin zustehen.

Dagegen besteht im Bereich der Klägerin die Gefahr, daß die Rechnungen ungeprüft bezahlt werden.

Bei dem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrag geht es nunmehr um weitere Rechnungen und Abmahnungen der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin, nachdem diese sich ausdrücklich gegen solche Schreiben verwahrt hat. Das hat die Beklagte zu 1) zu beachten.

3.) Da es sich nicht nur um einen einmaligen Vorgang handelt und alle genannten Voraussetzungen daher gegeben sind, hat die Beklagte rechts- und sittenwidrig gehandelt. Daher besteht - mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterwerfungserklärung -Wiederholungegefahr.

Der Beklagte zu 2) haftet als Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 analog; 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Unterschrift